Österreich: Neue Ermittlungsbefugnisse der Kartellwächter: Versiegelung, Befragungsrecht, Auskunftsbescheide, Datenübermittlung und Wettbewerbsmonitoring

Durch das Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetz 2012, dessen Änderungen im Kartellgesetz (KartG) und im Wettbewerbsgesetz (WettbG) per 1.3.2013 in Kraft traten, wurden vor allem die Ermittlungsbefugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bei Hausdurchsuchungen und der Ermittlung von Auskünften erweitert.

Auskunftsverlangen

In Zukunft kann eine Erteilung von Auskünften und eine Vorlage von Unterlagen auch durch Anordnung mittels Bescheid durch die BWB selber erfolgen und mit Geldbußen bei Nichterbringung geahndet werden.

Hausdurchsuchungen

Die Erweiterung der Rechte der Beamten der BWB bei Hausdurchsuchungen erfolgt in folgenden Bereichen:

  • Befragungsrechte
    Beamte können ab sofort von allen Beschäftigten des Unternehmens Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen verlangen, die mit den Ermittlungen in Zusammenhang stehen. Eine Entlassung von Angestellten aufgrund deren Erfüllung dieser Auskunftsverpflichtung ist rechtswidrig.
  • Einsicht in elektronische Unterlagen
    Die Novelle präzisiert, dass Beamten auf Verlangen Zugang zu elektronischen Daten zu gewähren ist. Wenn notwendig, müssen hierzu auch die Passwörter bekanntgegeben werden. Die Beamten können auch Kopien herstellen oder sogar eine Anfertigung eines Datenträgers mit den Daten anfordern.
  • Einschränkung des Widerspruchsrechts
    Widerspruch gegen die Einsichtnahme oder Durchsuchung von Unterlagen darf sich nur mehr auf bestimmten, einzeln bezeichnete Unterlagen unter Berufung auf (i) eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht oder (ii) darauf, dass diese nicht vom Hausdurchsuchungsbefehl umfasst sein, beziehen. Darauf werden diese Unterlagen gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung durch die Behörde gesichert, um diese dem Kartellgericht vorzulegen.
  • Sollte eine solche Bezeichnung der Unterlagen zu einer unverhältnismäßigen Verzögerung der Hausdurchsuchung führen, können auf Verlangen des Unternehmens Kategorien von Unterlagen erstellt werden, die getrennt vom Ermittlungsakt vorerst bei der BWB hinterlegt werden. Die weitere einzelne Bezeichnung der Unterlagen kann nach Hinterlegung der Unterlagen dann innerhalb einer Frist von zumindest zwei Wochen erfolgen.
  • Zufallsfunde
    Zufallsfunde während einer Hausdurchsuchung können zur Einleitung eines separaten Verfahrens verwendet werden.
  • Versiegelung
    Wie viele andere Wettbewerbsbehörden darf die BWB nun auch eine Versiegelung von Räumlichkeiten vornehmen. Ein Aufbruch eines solchen Siegels kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen sanktioniert werden.
  • Beschlagnahme von Beweismitteln
    Die BWB kann Beweismittel für die Dauer der Hausdurchsuchung beschlagnahmen, soweit dies zur Sicherung des Ermittlungserfolges erforderlich ist.
  • Sanktionen
    Zwangsstrafen und Strafgelder dürfen bei (i) Nicht-Erteilung von Auskünften, (ii) Nicht-Vorlage von Unterlagen, oder (iii) unrichtigen, irreführenden oder unvollständigen Auskünften verhängt werden. Eine Behinderung der Hausdurchsuchung stellt Widerstand gegen die Staatsgewalt dar, welche mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen ist.

Datenübermittlung

Zusätzlich zu Kronzeugenanträgen werden zukünftig wohl Untersuchungen anderer Behörden, nämlich von der Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten, Anstoß für Ermittlungen der BWB sein, da durch die Novelle diese Behörden nunmehr Daten an die BWB übermitteln kann, um diese in Kenntnis von Kartellverstößen zu setzen.

Gesetzliche Grundlage für ein Wettbewerbsmonitoring

Ziel ist, durch Beobachtung der Entwicklung von Indikatoren über mehrere Jahre die Wettbewerbsintensität bestimmter Sektoren bzw. wettbewerbsrechtlich relevanter Märkte darzustellen. Solche Indikatoren können u.a. der Konzentrationsgrad, die Regulierung des Sektors und Preisentwicklungen im internationalen Vergleich und im Verhältnis zu angebots- und nachfrageseitigen Einflussfaktoren sein. Die Anzahl der Marktteilnehmer sowie Zu- und Austritte sind ebenso ein Indiz für die Situation des Wettbewerbs in einer Branche. Daten hierfür sollen aus unterschiedlichsten Quellen herangezogen werden können (z.B. Statistiken, Geschäftsberichte, Firmenbuch und Unternehmensregister, Veröffentlichungen des KSV, von Branchenverbänden oder Eurostat, Monitoringdaten von Regulatoren).

Autorin: Christina Hummer (Brüssel, Wien)