Österreich: Kartellrechtnovelle in Kraft

 

Per 1.3.2013 traten die Änderungen des Kartellgesetzes (KartG) und des Wettbewerbsgesetzes (WettbG) durch das Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetz 2012 in Kraft. Die wichtigsten Änderungen liegen in der Erweiterung der Rechte der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bei Hausdurchsuchungen (siehe auch den Beitrag „Neue Ermittlungsbefugnisse der Kartellwächter: Versiegelung, Befragungsrecht, Auskunftsbescheide, Datenübermittlung und Wettbewerbsmonitoring“). Die anderen wesentlichen Änderungen im Überblick:

Bagatellkartelle

Materiell rechtlich wird vor allem die alte Bagatellregelung an die europäische Bestimmung angepasst. Somit sind in Zukunft gewisse wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen (i) zwischen Wettbewerbern mit einem gemeinsamen Marktanteil von nicht mehr als 10% und (ii) Nicht-Wettbewerbern mit einem gemeinsamen Marktanteil von nicht mehr als 15% erlaubt. Nunmehr sind allerdings immer sog. Kernbeschränkungen, d.h. Preisabsprachen, Einschränkungen der Erzeugung und Aufteilungen von Märkten und Kunden verboten.

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Die Novelle erweitert auch den Begriff der Marktbeherrschung. Somit ist diese gegeben, wenn:

Ein Anbieter oder Nachfrager oder zwei oder mehr Unternehmer gemeinsam:

  • keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerber ausgesetzt sind;
  • im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung aufgrund von (i) Finanzkraft, (ii) Beziehungen zu anderen Unternehmern, (iii) Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie (iv) Umstände, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken.
  • eine im Verhältnis zu Abnehmern oder Lieferanten überragende Marktstellung hat.

Ein Anbieter oder Nachfrager folgende Marktanteile erfüllt:

  • Marktanteil von zumindest 30 %
  • Marktanteil mehr als 5 % und maximal Wettbewerb von zwei anderen Unternehmen ausgesetzt
  • Marktanteil von mehr als 5% und zu den vier größten Unternehmern auf diesem Markt gehörig, die zusammen einen Anteil von mindestens 80% haben.*

Eine Gesamtheit von Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager folgende Marktanteile erfüllt:

  • mit drei oder weniger Unternehmen einen Marktanteil von zumindest 50%;*
  • mit fünf oder weniger Unternehmen einen Marktanteil von zumindest zwei Drittel.*

Außerdem wird nun der Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bereits bei einer „Forderung“ von Verkaufs-/Ankaufspreisen oder anderen Geschäftsbedingungen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb nicht ergeben würden, erfüllt.

Zusammenschlusskontrolle

In der Zusammenschlusskontrolle wird zukünftig der Anmelder eine Fristverlängerung von vier auf sechs Wochen in Phase eins und von fünf auf sechs Monate in Phase zwei beantragen können. Die soll vor allem den Zeitdruck in Fällen, welche Auflagen benötigen, lindern.

Gesetzlicher Schadenersatzanspruch

Um den durch einen Kartellverstoß Geschädigten die Durchsetzung eines etwaigen Schadensersatzanspruches zu erleichtern, wurde eine separate Rechtsgrundlage hierfür im Kartellgesetz eingefügt. Demnach ist ein solcher Anspruch auch nicht ausgeschlossen, wenn die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde. Außerdem sind Zivilgerichte an Feststellungen, dass eine Rechtsverletzung rechtswidrig und schuldhaft begangen wurde, in rechtskräftigen Entscheidungen von nationalen Wettbewerbsbehörden und der Europäischen Kommission gebunden. Eine Verjährung eines solchen Schadenanspruches wird zusätzlich für die Dauer einer solchen Entscheidung (plus sechs Monate nach dessen Rechtskraft) gehemmt.

Veröffentlichung von Entscheidungen

Ein weiterer Vorteil soll Geschädigten durch die nunmehr zwingende Veröffentlichung von Entscheidungen der Kartellgerichte geschaffen werden. In dieser müssen die Beteiligten, der wesentliche Inhalt der Entscheidung und die verhängten Sanktionen unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen bekannt gegeben werden.

Durch die Novelle sind in Zukunft auch Feststellungsanträge auch gegenüber (i) Kronzeugen und (ii) zur Vorbereitung von Schadenersatzklagen, sofern kein Verfahren beim Kartellgericht anhängig oder abgeschlossen ist, möglich.

Geldbußenbemessung

Hinsichtlich der Geldbußenbemessung wurden die Milderungs- und Erschwerungsgründe konkretisiert. Somit wirken sich nun (i) eine untergeordnete Beteiligung eines Unternehmers, (ii) eine freiwillige vorherige Beendigung der Rechtsverletzung, oder (iii) ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung als mildernd, hingegen (i) eine Wiederholungstäterschaft oder (ii) die Rolle als Anstifter oder Urheber jedoch als erschwerend aus.

Kronzeugen

Das effizienteste Instrument zur Geldbußenminimierung, die Kronzeugenregelung, wurde auch weiter ausgestaltet. Eine Befreiung einer Geldbuße ist nunmehr in zwei Fällen möglich: (i) bei Vorlage von Beweismitteln als Erster und wenn Informationen eines Kartells ausreichend sind für einen begründeten Antrag zu einer Hausdurchsuchung; oder (ii) sofern ausreichend Information für einen Hausdurchsuchungsantrag der Bundeswettbewerbsbehörde bereits vorliegt, die Vorlage von zusätzlichen Beweismitteln und Informationen ausreichend ist zur Stellung eines Geldbußenantrags.

Eine Ermäßigung einer Geldbuße für weitere Kronzeugen bei Erbringung von Informationen und Beweismitteln erfordert in Zukunft einen erheblichen Mehrwert gegenüber den der Behörde bereits bekannten Fakten.

* Bei diesen Tatbeständen tritt eine Beweislastumkehr ein, wonach das bzw. die Unternehmen nachweisen müssen, dass sie nicht marktbeherrschend sind.

Autorin: Christina Hummer (Brüssel, Wien)