Österreich: Zweitausbildung und Fortbestand des Unterhaltsanspruches

 

Auch wenn ein Kind bereits eine Ausbildung abgeschlossen hat, die zur Selbsterhaltung führen würde, kann diesem eine zweite Berufsausbildung zugebilligt werden. Maßgeblich für die Bejahung des Fortbestehens des Unterhaltsanspruches sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass nicht nur beim Hochschulstudium sondern auch bei anderen beruflichen Ausbildungen zumindest ein einmaliger Wechsel zu tolerieren ist. Bei einer Zweitausbildung ist das Weiterbestehen des Unterhaltsanspruchs an strengere Voraussetzungen gebunden als jene, die für die Finanzierung der Erstausbildung maßgeblich sind.

Demnach kann einem Kind eine zweite Berufsausbildung dann zugebilligt werden, wenn es eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichenden Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt, es dem Unterhaltsschuldner zumutbar erscheint, dafür Leistungen zu erbringen, und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Fortkommens des Kindes eintreten wird. Die Bestimmungsfaktoren bilden ein bewegliches System, das eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen soll.

Im Entscheid 3Ob212/12s hat der Oberste Gerichtshof das Fortbestehen des Unterhaltsanspruches eines 1992 geborenen Mädchens bejaht, das nach positivem Abschluss einer dreijährigen land- und forstwirtschaftlichen Fachschule (im Juli 2009) im November 2009 eine dreijährige Lehre für den Beruf einer Restaurantfachfrau begann. Begründet hat der OGH diese Entscheidung konkret auch damit, dass es als wahrscheinlich anzusehen ist, dass die Schaffung eines zweiten beruflichen Standbeins in einer Branche, die nicht nur in Österreich, sondern auch international Chancen auf einen saisonunabhängigen Arbeitsplatz eröffnet, die künftige berufliche Situation des Mädchens verbessern wird.

Autor: Christoph Luegmair (Linz)