Österreich: Rechtsunsicherheit bei Mietvertragsvergebührung
Hintergrund
Bestandverträge unterliegen einer Rechtsgeschäftsgebühr von 1 %, die an das Finanzamt abzuführen ist. Seit 11.11.2017 sind Verträge über die Miete von Wohnräumen gebührenfrei. Im Bereich der gewerblichen Vermietung fällt die Gebühr nach wie vor an. Aufgrund der zuletzt ergangenen Judikatur ist das Risiko erhöht, dass ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Mietvertrag gebührenrechtlich als befristeter Vertrag qualifiziert wird (= im Regelfall höhere Gebühr).
Die Bestandvertragsgebühr
Bemessungsgrundlage ist (i) bei unbestimmter Vertragsdauer der dreifache Jahreswert, (ii) bei bestimmter Vertragsdauer der mit dieser Dauer vervielfachte Jahreswert, höchstens das 18-fache des Jahreswertes. Geht ein befristetes Mietverhältnis in ein unbefristetes über, kann als Bemessungsgrundlage der 21-fache Jahreswert heranzuziehen sein.
Maßgebliche Bedeutung kommt daher der Qualifikation des Vertrages als befristet oder unbefristet zu. Dabei kommt es darauf an, ob beide Vertragsteile eine bestimmte Zeit hindurch an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, unabhängig davon, wie der Vertrag in seiner Gesamtheit vertragsrechtlich einzuordnen ist.
Ein Vertrag, der dem Vertragstext zufolge auf unbestimmte Dauer geschlossen wurde, wird daher dann gebührenrechtlich als befristeter Vertrag behandelt, wenn er einen beidseitigen Kündigungsverzicht enthält. Umgekehrt ist ein dem Vertragswortlaut nach auf bestimmte Dauer geschlossener Mietvertrag, der von zumindest einem der Vertragspartner nach Belieben aufgelöst werden kann, gebührenrechtlich als unbefristeter Vertrag anzusehen.
Die Rechtsprechung
Im Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) ist die Möglichkeit der Kündigung des Mietvertrages durch den Vermieter gesetzlich stark beschränkt. Dennoch ging der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) lange Zeit in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 MRG noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten vorliegt, die einer gebührenrechtlichen Einordnung des Vertrages als unbefristet entgegenstünde. War eine Kündigung aus „einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen“ vorgesehen, hing die Frage der gebührenrechtlichen Einordnung des Vertrages von Gewicht und Wahrscheinlichkeit der Realisierung der vereinbarten Kündigungsgründe ab.
Der VwGH stellte diese Wahrscheinlichkeitsprüfung in einer der letzten Entscheidungen zu dieser Thematik auch in einem Fall an, in dem alle Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 MRG vereinbart waren und löste damit Rechtsunsicherheit aus. In einer weiteren Entscheidung beriefen sich nun die Unterinstanzen auf besagte Entscheidung. Der VwGH wies die außerordentliche Revision mit der Begründung zurück, dass die Entscheidung der Unterinstanz von der Rechtsprechung des VwGH nicht abweicht.
Im Ergebnis kann auch bei Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 MRG Gewicht und Wahrscheinlichkeit der Realisierung dieser Gründe zur gebührenrechtlichen Qualifikation als befristeter Vertrag führen. Dass einige der Kündigungsgründe des MRG schon per se für die Miete von Geschäftsräumen nicht relevant sind, erleichtert die Argumentation, ein Vertrag sei gebührenrechtlich unbefristet, nicht.
Autorin: Maria Praher