Neue regulatorische Hürden bei M&A Transaktionen

Bei M&A Transaktionen streben alle Beteiligten ein rasches Closing und dadurch auch künftig Rechtssicherheit an. Bisher wurde eine M&A Transaktion bei Überschreiten von gewissen Umsatzschwellen von den zuständigen Wettbewerbsbehörden dahingehend ex ante überprüft, ob das Vorhaben eine marktbeherrschende Stellung schaffen oder stärken würde. Nun geht jedoch diese Rechtssicherheit durch die jüngste Praxis und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (folgend kurz „EuGH“) verloren, da es auch bei Unterschreiten der Umsatzschwellenwerte ex post zu einer inhaltlichen Prüfung und gegebenenfalls Rückabwicklungsverpflichtung kommen kann.

Zusätzlich kam in der jüngeren Vergangenheit für M&A Transaktionen in Bereichen von kritischer Infrastruktur die Investitionskontrolle für ausländische Direktinvestitionen hinzu. Dieser Schutz vor ausländischem Einfluss im EWR wird nun für alle Branchen durch ein verpflichtendes Genehmigungsverfahren ergänzt, sofern der Erwerber der Beteiligung in der Vergangenheit innerhalb seines Konzerns ausländische Beihilfen in einer gewissen Höhe erhalten hat.


Inhaltsverzeichnis

I. Bisher lediglich ex-ante Zusammenschlusskontrolle
II. Neues Instrument einer ex-post Zusammenschlusskontrolle
III. Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen
IV. Einführung der Prüfung von Subventionen aus Drittstaaten
V. Fazit


I. Bisher lediglich ex-ante Zusammenschlusskontrolle

Sowohl die europäischen als auch die nationalen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften verfolgten bisher nur das Prinzip der „präventiven Kontrolle“, um kein künstliches Monopol durch eine M&A Transaktion zu schaffen bzw. eine wettbewerbsfördernde Marktstruktur nicht zu gefährden.

Für M&A Transaktionen bedeutet dies Anmeldepflichten bei nationalen Wettbewerbsbehörden oder der Europäischen Kommission (folgend kurz „Kommission“), wenn durch die avisierte Transaktion ein Zusammenschlusstatbestand verwirklicht wird und gewisse gesetzlich normierte Umsatzschwellenwerte überschritten sind. Bis zur Genehmigung unterliegt eine solche avisierte M&A Transaktion dem Durchführungsverbot. Ein Verstoß hiergegen führt zu hohen Geldbußen von bis zu 10% des weltweiten Konzernumsatzes.

In jünster Vergangenheit wurde auch von der Möglichkeit der Verweisung einer Prüfung eines Zusammenschlusses  – ohne Überschrei-tung eines Umsatzschwellentests – an die Kommission gemäß Art 22 Fusions-kontrollverordnung (folgend kurz „FKVO“) Gebrauch gemacht. Dies bedeutet, dass auch bei Nicht-Vorliegen einer Anmelde- und Genehmigungspflicht einer M&A Transaktion eine Wettbewerbsbehörde über Art 22 FKVO die Kommission binnen 15 Arbeitstagen nach Kenntniserlangung anregen kann, eine avisierte Transaktion zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist zumindest ein Anscheinsbeweis für eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Mitgliedstaat der antragstellenden Wettbewerbsbehörde.

II. Neues Instrument einer ex-post Zusammenschlusskontrolle

Mit der kürzlich entschiedenen Rechtssache „Towercast“ (C-449/21) öffnete der EuGH nationalen Wettbewerbsbehörden die Möglichkeit zur nachträglichen Beurteilung eines Zusammenschlusses als verbotener Missbrauch nach Art 102 AEUV. Voraussetzungen hierfür sind, dass es sich um (i) keinen anmeldebedürftigen Zusammenschluss handelt, da der Zusammenschluss nicht von gemeinschaftsweiter Bedeutung iSd Art 1 FKVO, sowie auch unterhalb den vom nationalen Recht vorgesehenen Schwellen für eine verpflichtende Ex-ante-Kontrolle liegt und (ii) der Zusammenschluss auch nicht zu einer Verweisung an die Kommission gemäß Art 22 FKVO geführt hat.

III. Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen

Aufgrund der EU-FDI-Screening-Verordnung wurden in den letzten Jahren auf nationaler Ebene M&A Transaktionen ex ante einer weiteren Genehmigungspflicht unterworfen, wenn sich ein Unternehmen mit Sitz bzw. Hauptverwaltung außerhalb der EU, EWR oder der Schweiz an einem in der EU-ansässigen Unternehmen mit zumindest 10%, 25% bzw. 50% beteiligt bzw. einen beherrschenden Einfluss erwirbt. Eine solche Genehmigungspflicht betrifft derzeit allerdings nur Beteiligungserwerbe von Zielunternehmen in Branchen, die von den jeweiligen Mitgliedstaaten als sensible Wirtschaftsbereiche erachtet werden (z.B. Betrieb kritischer und digitaler Infrastruktur, essenzielle Bereiche für die Sicherheit und öffentliche Ordnung).

Auch hier unterliegt eine anmeldepflichtige M&A Transaktion einem Durchführungsverbot. Ein Verstoß hiergegen kann nicht nur mit Geldbußen, sondern auch Freiheitsstrafen geahndet werden.  

IV. Einführung der Prüfung von Subventionen aus Drittstaaten

Mit 12.07.2023 tritt die „Regulation on Foreign Subsidies Distorting the Internal Market“ (Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen, folgend kurz „FSR“) in Geltung, welche in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten verbindlich und unmittelbar anzuwenden ist. Im Gegensatz zur Prüfung einer direkten ausländischen Investitionsbeteiligung erstreckt sich die Prüfung auf alle Transaktionen unabhängig von der Branche und wird zentral von der Kommission, und nicht von den jeweiligen nationalen zuständigen Behörden durchgeführt.

Ziel ist es, zukünftig Wettbewerbsverzerrungen am EU-Binnenmarkt durch ausländische Subventionen an in der EU tätigen Unternehmen zu verhindern. Daher gibt es zukünftig u.a. eine Anmeldeverpflichtung von M&A Transaktionen, bei denen mindestens ein beteiligtes Unternehmen mit zumindest EUR 500 Mio. Umsatzerlös in der EU ausländische Beihilfen in der Höhe von zumindest insg. EUR 50 Mio. in den letzten drei Jahren erhalten hat. Bei Verstoß gegen diese Anmeldeverpflichtung drohen Geldbußen bis zu 10 % des weltweiten Konzernumsatzes.

Der Kommission wurden entsprechende neue Prüf- und Ermittlungsbefugnisse (z.B. Auskunftsverlangen und Nachprüfungen) sowohl für den Zeitraum der Durchführung einer M&A-Transaktion als auch nach einem Closing eingeräumt. Die Prüfpflichten der Kommission betragen höchstens 150 Arbeitstage, sohin etwa acht Monate. Diese Frist scheint ein ambitioniertes Ziel zu sein, da der Genehmigungsprozess für staatliche Beihilfen innerhalb der EU in der Vergangenheit bereits bis zu etwa zwölf Monate dauerte.

V. Fazit

In der Praxis haben diese neuen Entwicklungen zur Folge, dass für M&A Transaktionen – auch weiterhin im Vorfeld – potenziell mehr Genehmigungen erforderlich sein könnten, für die meist unterschiedliche Behörden zuständig sind. Dies erschwert eine Planbarkeit für den Zeitpunkt des Closings bzw. erfordert eine wesentlich längere Zeitspanne zwischen Signing und Closing.

Gleichzeitig eröffnet es sowohl Wettbewerbern, als auch Kunden und Lieferanten der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen – aber auch Dritten noch mehr Möglichkeiten, eine Wettbewerbsbehörde über das anonyme Hinweisgebersystem oder mittels offizieller Beschwerde anzuregen, eine M&A Transaktion im Vorfeld oder eben bereits nach erfolgtem Closing auf deren wettbewerblichen Aspekte hinsichtlich einer potenziellen Markt-beherrschung oder einer Wettbewerbs-verzerrung aufgrund einer ausländischen Beihilfe zu überprüfen.

Zusätzlich steigt für die beteiligten Unternehmen die Rechtsunsicherheit, falls mangels Zusammenschlusskontrolle eine Transaktion nach Closing mit noch nicht absehbaren Folgen als Missbrauch gemäß Art 102 AEUV qualifiziert werden könnte. Worst case szeanrio wäre wohl eine Rückabwicklung der Transaktion.


 



Autor: Christina Hummer
Autor: Kristina Madunic