Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aufgrund potenziell wettbewerbswidriger Auswirkungen

Die griechische Regierung wurde im Jahr 2008 von der Europäischen Kommission („Kommission“) mittels Entscheidung aufgefordert, Maßnahmen umzusetzen, um wettbewerbswidrige Auswirkungen bezüglich des staatlichen Stromversorgers und Alleineigentümers aller griechischen Braunkohlekraftwerke Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE („DEI“) abzustellen.

Hintergrund

1950 wurde DEI als öffentliches Unternehmen gegründet. 1996 wurde DEI per Gesetz zwar in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, allerdings wurde der Staat Alleinaktionär. Aufgrund der weiteren Rechtsentwicklung und insbesondere aufgrund der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften über den Elektrizitätsbinnenmarkt, wurde DEI 2001 in eine börsennotierte Aktiengesellschaft umstrukturiert, bei der die staatliche Beteiligung nicht weniger als 51% betragen darf. Seitdem hält die hellenische Republik 51,12 % der Anteile von DEI.

DEI erhielt alle Schürf- und Abbaurechte für Braunkohlelagerstätten mit Reserven von bis zu ca. 2.200 Mio. Tonnen. Schürf- und Abbaurechte für weitere öffentliche Lagerstätten mit Reserven von ca. 220 Mio. Tonnen, welche zum Teil auch DEI versorgen, wurden Privatpersonen gewährt. Weitere Rechte für ca. 2.000 Mio. Tonnen wurden noch nicht vergeben. 60 % des Stroms in Griechenland werden durch Braunkohlekraftwerke erzeugt. Somit konnte DEI einen Marktanteil von 97 % am Markt für die Lieferung von Braunkohle und 85 % am Strommarkt für Großkunden halten.

Entscheidung der Kommission

2003 wurde bei der Kommission eine Beschwerde bzgl eines Verstoßes gegen Art. 106 iVm Art. 102 AEUV der hellenischen Republik hinsichtlich DEI eingereicht. Die Kommission entschied daraufhin in 2008, dass die Gewährung dieser Rechte an DEI eine Marktabschottung hinsichtlich des Zugangs zu Primärbrennstoffen für die Stromerzeugung bewirke. Darüber hinaus würde die marktbeherrschende Stellung von DEI auf dem griechischen Strommarkt für Großkunden sowie auf dem Markt für die Lieferung von Braunkohle kraft Gesetz gestärkt werden und sich als Marktzutrittsschranken auswirken.

Aufhebung der Entscheidung durch das Gericht

Die Entscheidung der Kommission wurde allerdings vom Gericht am 20. September 2012 in der Rechtssache T-169/08, DEI gegen Europäische Kommission aufgehoben. Das Gericht beurteilte die Entscheidung hauptsächlich anhand der Frage, ob die Kommission einen tatsächlichen oder potenziellen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung feststellen müsse oder ob die Wettbewerbsverzerrung durch die staatlichen Maßnahmen für einen Verstoß gegen Art. 106 iVm Art. 102 AEUV ausreiche. Nach Ansicht des Gerichts sind jedoch diese staatlichen Maßnahmen nicht DEI anzulasten, da die Gewährung von Rechten allein durch die griechische Regierung und nicht durch das Unternehmen erfolgte. Darüber hinaus hätte die Kommission auch nicht hinreichend nachgewiesen, zu welchem Missbrauchstatbestand iSv Art. 102 AEUV die Gewährung der Abbau- und Schürfrechte führen. Somit wurde die Entscheidung der Kommission zur Gänze aufgehoben.

Entscheidung des EuGH

Allerdings entschied am 17 Juli 2014 der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-553/12 P, Europäische Kommission gegen DEI, das Urteil des Gerichts aufzuheben und somit die Entscheidung der Kommission als oberste Instanz zu bestätigen. Demnach verstößt ein Mitgliedstaat gegen Art. 106 iVm Art. 102 AEUV, wenn es Rechte gewährt, mit denen die Gefahr des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung geschaffen wird. Ein tatsächlicher Missbrauch ist nicht erforderlich. Es genügt somit, wenn die Kommission feststellt, dass eine potenzielle wettbewerbswidrige Auswirkung wie zB die Behinderung neuer Markteintritte von einer staatlichen Maßnahme resultiert. Somit muss die Kommission keinen tatsächlichen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung nachweisen.

Autoren

Dr. Christina Hummer
Ori Kahn