Kartellrechtliches Haftungsrisiko für Private-Equity-Unternehmen

Private-Equity-Unternehmen bzw Investmentbanken könnten für Verstöße gegen das EU-Kartellrecht durch ihre Beteiligungsunternehmen gesamtschuldnerisch für eine Geldbuße belangt werden. So bestätigte der EuGH Ende Jänner 2021 in einer Entscheidung (C-595/18 P, The Goldman Sachs Group Inc. v Europäische Kommission) eine Geldbuße in Höhe von mehr als € 37 Millionen gegen The Goldman Sachs Group Inc („Goldman Sachs“), wegen Beteiligung seiner indirekten Investmentgesellschaft, Prysmian SpA („Prysmian“), an einem weltweiten Unterseekabel-Kartell.

EU-Recht sieht vor, dass auch Private-Equity-Unternehmen, die - direkt oder indirekt - das gesamte oder nahezu das gesamte Stammkapital oder die Stimmrechte einer Investmentgesellschaft besitzen, gesamtschuldnerisch für Kartellverstöße durch Beteiligungsgesellschaft haften können. Auch in Fällen, in denen das Muttergesellschaft weniger als 100 % des Stammkapitals oder Stimmrechte besitzt, haftet diese für das Verhalten der Tochtergesellschaft, wenn sie die Tochtergesellschaft zum Zeitpunkt des Verstoßes kontrollierte. Eine solche Haftung ist unabhängig davon, ob sie von der illegalen Aktivität wusste oder daran beteiligt war. Bußgelder können empfindlich sein und bis zu 10 % des weltweiten Konzernumsatzes betragen. Der Konzernumsatz ist in einem solchen Fall dem Umsatz des Private-Equity-Unternehmens inkl. dessen Beteiligungsunternehmen gleichzusetzen.

Im konkreten Fall investierte Goldman Sachs im Jahre 2005 indirekt über einen seiner Fonds in 100 % der Anteile von Prysmian. Durch eine Reihe von Veräußerungen 2006 reduzierte Goldman Sachs die Anteile auf 84,4 %. Die Aktien von Prysmian wurden schrittweise durch einen Börsengang an der Mailänder Börse von 2007 an verkauft.

Im Jahr 2014 verhängte die Europäische Kommission („Kommission“) eine Geldbuße gegen Prysmian wegen der Beteiligung an einem weltweiten Unterseekabel-Kartell zwischen 2005 und 2009. Die Kommission stellte fest, dass Goldman Sachs in diesem Zeitraum tatsächlich einen beherrschenden Einfluss auf Prysmian ausgeübt hat (auch nach dem Börsengang) und daher gesamtschuldnerisch haftbar für die von Prysmian begangene Rechtsverletzung war. Ausschlaggebend für einen solchen beherrschenden Einfluss waren vor allem Goldman Sachs‘ Stimmrechte. Darüber hinaus wurden auch die Befugnisse zur Ernennung von Vorstandsmitgliedern, zur Einberufung von Hauptversammlung sowie zur Abberufung von Vorständen als beherrschender Einfluss angesehen. Abgesehen davon erhielt Goldman Sachs regelmäßig Berichte von Prysmian. Die Kommission sah es als erwiesen an, dass nicht das bloße Halten des gesamten oder nahezu gesamten Kapitals der Tochtergesellschaft an sich die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses begründet, sondern der Grad der Kontrolle der Muttergesellschaft über ihre Tochtergesellschaft, den diese Beteiligung impliziert.

Bei Unternehmensveräußerungen bedeutet dies, dass der Käufergruppe (ohne dem Zielunternehmen) in der Regel nur Geldbußen in Bezug auf Verstöße auferlegt werden, die nach dem Erwerb der Kontrolle durch die Käufer fortgesetzt wurden. Gleichzeitig bleibt die Verkäuferseite weiterhin für Verstöße, die sich in der Zeit vor dem Unternehmensübergang ergeben haben, bis zu deren Verjährung nach fünf Jahren verantwortlich. Außerdem bestehen für die Verkäuferseite Verantwortlichkeiten auf Grund von Garantien und Freistellungen.

Der vorliegende Fall veranschaulicht das Risiko, dem Private-Equity-Unternehmen ausgesetzt sind, wenn sie die Kontrolle über Beteiligungsgesellschaften erwerben, die ohne Wissen des Verkäufers oder des Käufers in einen Kartellverstoß verwickelt sind. Dies ist insbesondere bei Kartellen der Fall, die grundsätzlich geheim sind und nur kaum durch eine Standard-Due-Diligence-Prüfung aufgedeckt werden können.



Autor: Christina Hummer