EuGH: Kriterien für die Anwendung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Kontinuität

Der Europäische Gerichtshof („EuGH“) hat am 18.12.2014 in der Rechtssache C-434/13 P, Europäische Kommission gegen Parker Hannifin Manufacturing Srl und Parker-Hannifin Corporation (zusammen „Parker“) den Grundsatz der wirtschaftlichen Kontinuität präzisiert.

Die Europäische Kommission („Kommission“) hat in der Entscheidung COMP/39406 vom 28.01.2009 die Teilnahme der Parker ITR Srl („Parker ITR“) am „Marinenschlauchkartell“ vom 01.04.1986 bis 02.05.2007 bestätigt. Dabei wurde der Verstoß von Parker ITR, eine Tochtergesellschaft von Parker, mit einer Geldbuße in Höhe von EUR 25 Mio geahndet. Gesamtschuldnerisch haftete Parker für ihre Tochtergesellschaft Parker ITR für den Zeitraum vom 31.01.2002 bis 02.05.2007 mit einem Betrag von EUR 8,3 Mio.

ITR SpA ist eine Tochtergesellschaft der Saiag SpA. 2001 gründete ITR SpA, die ITR Rubber Srl („ITR Rubber”), um ihren Geschäftsbereich Marineschläuche zu veräußern. Die Übertragung dieses Geschäftsbereichs wurde am 01..012002 wirksam. Am 31.01.2002 übernahm Parker die ITR Rubber zu 100%. ITR Rubber wurde mithin zu Parker ITR umgewandelt.

In der ersten Instanz entschied jedoch das Gericht in der Rechtssache T-146/09 am 17.05.2013, dass die Kommission keine hinreichende Beweise vorgelegt hatte, um festzustellen, dass ITR Rubber vor dem 01.01.2002 irgendeine Tätigkeit ausgeübt hatte, insbesondere im Bereich Marineschläuche, und demnach nur ab diesem Zeitraum für die Teilnahme haften könnte.

Darüber hinaus war das Gericht der Ansicht, dass in Fällen, in denen ein an einem Kartell beteiligtes Unternehmen einen Geschäftsbereich an einen unabhängigen Dritten veräußert und zwischen diesen keine strukturelle Verbindung besteht, der Grundsatz der wirtschaftlichen Kontinuität keine Anwendung fände. Dagegen sei jedoch die Haftung nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit festzustellen.

Nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Kontinuität kann einem Rechtsnachfolger eines zuwiderhandelnden Unternehmens eine Sanktion auferlegt werden, wenn das betroffene Unternehmen unter derselben Kontrolle steht und somit eine strukturelle Bindung besteht. In früherer Rechtsprechung führte der EuGH aus, dass wenn ein Unternehmen einen bestimmten Geschäftsbereich auf ein anderes, unabhängiges, drittes Unternehmen veräußert, dieser Grundsatz nur dann Anwendung findet, wenn das für die Bewirtschaftung des veräußerten Unternehmens verantwortliche Unternehmen nach der Zuwiderhandlung nicht mehr existiert. Allerdings ergänzt der EuGH mit seiner aktuellen Rechtsprechung, dass allein das Fortbestehen der Einheit, die eine Zuwiderhandlung begangen hat, dies nicht verhindert, eine Geldbuße gegen der Einheit, auf dem der relevante Geschäftsbereich übertragen wurde, zu verhängen.

Entgegen diesem Urteil des Gerichts führte der EuGH zunächst aus, dass eine interne Umstrukturierung oder Veräußerung eines zuwiderhandelnden Unternehmens dieses nicht von der Haftung befreit, sofern der Nachfolger wirtschaftlich identisch ist. Dabei hätte das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es keine wirtschaftliche Kontinuität vorliegend feststellte. Es hätte dabei nicht die Verbindung zwischen ITR SpA und ITR Rubber zum Zeitpunkt der Übertragung des Geschäftsbereichs berücksichtigt. Folglich wäre eine strukturelle Verbindung zwischen ITR SpA und ITR Rubber gegeben, womit vorliegend der Grundsatz der wirtschaftlichen Kontinuität anzuwenden sei. Demnach könnte Parker ITR für den gesamten Zeitraum in die Haftung genommen werden.

Der EuGH wies daher die Klage zurück an das Gericht um festzustellen, ob die von der Kommission angewandte Vermutung der wirtschaftlichen Einheit mit Parker widerlegbar ist.

Autoren:

Dr. Christina Hummer
Ori Kahn