EuGH: Kartellrechtliche Schadenersatzpflicht gegenüber Abnehmern von nicht am Kartell beteiligten Wettbewerbern

I. Behördliche Verfahren im Aufzugs- und Fahrtreppenkartell

In 2007 hat die Europäische Kommission („Kommission“) Geldbußen in der Höhe von insgesamt EUR 922 Mio. gegenüber mehreren Unternehmen aufgrund ihrer Beteiligung im Aufzug- und Fahrtreppenkartell in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden verhängt. Darüber hinaus erließ auch das österreichische Kartellgericht in 2008 Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 75,4 Mio. gegen dieselben Unternehmen für deren Absprachen im österreichischen Markt.

II. Schadenersatzklage der ÖBB

Eines der Opfern des Aufzugs- und Fahrtreppenkartells, nämlich die ÖBB-Infrastruktur AG („ÖBB“), hat einen Schadensersatz von den am Kartell beteiligten Unternehmen in der Höhe von fast EUR 1,9 Mio. beantragt. Die ÖBB war allerdings kein Abnehmer von einem an dem Kartell beteiligten Unternehmen, sondern hatte ihre Aufzüge und Fahrtreppen nur von deren Wettbewerbern, die nicht im Kartell involviert waren, erworben. Die ÖBB behauptete jedoch, dass auch die von ihren Lieferanten festgelegten Preise aufgrund des Kartelles höher waren, als es unter normalen Wettbewerbsbedingungen der Fall gewesen wäre.

Grundsätzlich gibt es allerdings in solchen Fällen im österreichischen Recht keinen Schadensersatzanspruch, da es sich bei dem von der ÖBB behaupteten Schaden um einen höheren Preis handelte, der rechtmäßig vom Lieferanten aufgrund parallelen Marktverhaltens und nicht als Teil der verbotenen Absprachen festgelegt wurde. Demnach wandte sich der österreichische Oberste Gerichtshof („OGH“) in einem Vorabentscheidungsverfahren mit der Frage an den Europäischen Gerichtshof („EuGH“), ob an einem Kartell beteiligte Unternehmen auch solche Schäden zu ersetzen haben.

III. „Umbrella-Effekt“ bzw „Preisschirmeffekt“

Am 05. Juni 2014 entschied der EuGH in der Rechtssache C-557/12 Kone AG u.a. gg. ÖBB, dass einem Opfer des sogenannten „Umbrella-Effekts“ bzw „Preisschirmeffekts“ grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen die Kartellanten zusteht. Dies bedeutet, dass Kunden für einen durch künstlich erhöhte Marktpreise erlittenen Schaden sehr wohl einen Schadensersatzanspruch gegen die hierfür Verantwortlichen haben. Der EuGH wies darauf hin, dass der Marktpreis einer der wichtigsten Faktoren bei der Bestimmung von Verkaufspreisen und Strategien sei. Es ist daher davon auszugehen, dass Wettbewerber, die nicht an einem Kartell beteiligt sind, ihre eigenen Preise dem Marktpreis entsprechend festsetzen. Allerdings handelt es sich eben bei diesem Marktpreis bereits um einen durch das Kartell in der Regel erhöhten Preis. Folglich würden auch Wettbewerber, die nicht am Kartell teilnehmen, letztendlich einen höheren Preis als unter normalen Wettbewerbsbedingungen verlangen.

IV. Ursächliche Kausalität ausreichend

Der EuGH betonte auch, dass die Wirksamkeit des europäischen Wettbewerbsrechts beeinträchtigt wäre, wenn nationale Regelungen für einen Schadensersatzanspruch stets eine unmittelbare Beziehung bzw. Kausalität verlange. Im Fall von Schäden durch Kartellabsprachen würde eine ursächliche Kausalität den gesetzlichen Anforderungen ausreichen. Somit steht Opfern eines Preisschirmeffekts grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen Kartellanten zu, auch wenn zwischen diesen keine vertragliche Beziehung besteht.

V. Schlussfolgerung

Aufgrund dieser bahnbrechenden Entscheidung des EuGH dürfen nationale Vorschriften hinsichtlich Schadensersatzansprüchen aus Wettbewerbsverstößen nicht weniger günstig ausgestaltet werden, als Rechtsbehelfe, die nur innerstaatliches Recht betreffen, um somit dem Äquivalenzgrundsatz zu entsprechen und die Effektivität des europäischen Kartellrechts zu wahren.

Autoren:

Dr. Christina Hummer
Ori Kahn