EuGH - Generalanwalt: Gesamtschuldnerische Haftung von Muttergesellschaften nur für den Zeitraum von Kontrollausübung

Die Europäische Kommission („Kommission“) hat in 2007 Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 750 Mio. gegen elf Unternehmen wegen Submissionsabsprachen im Markt für gasisolierte Schaltanlagen zum Verkauf an Stadtwerken verhängt.

ALSTOM (Société anonyme) wurde ursprünglich für EUR 54 Mio. gesamtschuldnerisch mit ihrer Tochtergesellschaft Alstom Grid SAS, nachher Areva T&D („Areva“) in die Haftung genommen. Areva SA, die nachfolgende Muttergesellschaft von Areva ab 2004, wurde ursprünglich für EUR 26 Mio. der Geldbuße, die gegen ihre Tochtergesellschaft Areva verhängt wurde, von der Kommission gesamtschuldnerisch in die Haftung genommen. Die Höhe der Geldbuße für Areva wurde jedoch in 2011 vom Gericht auf EUR 48,2 Mio. herabgesetzt, sodass die gesamtschuldnerische Haftung für Aeva SA nur noch EUR 20,4 Mio betrug. Eine Berufung gegen diese Entscheidung ist derzeit beim Europäischen Gerichtshof („EuGH“) in der Rechtssache C-247/11 P, Areva gg Kommission, anhängig.

In diesem EuGH-Verfahren argumentierte die Kommission, dass Streitigkeiten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften bezüglich der Zahlung der Geldbuße nationale Gerichte zu beurteilen hätten. Die beteiligten Unternehmen stehen jedoch im Gegensatz zur Kommission auf dem Standpunkt, dass in diesem Fall ihre Rechtssicherheit verletzt sei, da sie somit nicht vorab feststellen könnten, welche Höhe ihr jeweiliger Anteil an der gesamtschuldnerischen Haftung beträgt. Der Generalanwalt ist der Meinung, dass die Verhängung von gesamtschuldnerischen Geldbußen gegen Muttergesellschaften nur für jenen Zeitraum verhängt werden dürfe, indem sie die kartellrechtsverstoßende Tochtergesellschaft kontrollierten, da jegliche weitere gesamtschuldnerische Haftung gegen die Rechtssicherheit verstoßen würde.

Folglich solle die gesamtschuldnerische Haftung von Areva SA auf EU 1,4 Mio. reduziert werden, da sie Areva nur vier Monate vor Beendigung des Kartellverstoßes erwarb und somit nur für diesen Zeitraum gesamtschuldnerisch haften dürfe. Gleichzeitig solle die gesamtschuldnerische Haftung von Alstom auf EUR 46,8 Mio. erhöht werden, da sie die Tochtergesellschaft während des Kartellverstoßes elf Jahre kontrollierte.

Es ist nun abzuwarten, ob sich der EuGH der Meinung des Generalanwalts anschließt und somit die Höhe einer gesamtschuldnerischen Haftung von dem Zeitraum abhinge, indem die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss bzw. die Kontrolle über die rechtsverstoßende Tochtergesellschaft tatsächlich ausübte.

Autoren:

Dr. Christina Hummer
Ori Kahn