EuGH: Missbrauch marktbeherrschender Stellung durch Erhebung einer Unterlassungsklage

Grundsätzlich ist es einem Patentinhaber nach europäischem Recht erlaubt, Unterlassungs- und Rückrufklagen sowie Klagen auf Rechnungslegung und Schadensersatz zu erheben. Solche gehören zu den Vorrechten des Patentinhabers. Allerdings ist ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Ausübung dieser Rechte bzw durch Erhebung einer solchen Klage sehr wohl möglich.

Huawei Technologies Corporation Ltd („Huawei“) ist ein im Telekommunikationsbereich tätiges Unternehmen und Inhaber eines europäischen Patents. Dabei handelt es sich um ein standardessenzielles Patent („SEP“). Bei standardessenziellen Patenten ist es für Wettbewerber unerlässlich, dass deren Produkte nur nach dem Patent entsprechendem Standard hergestellt werden. Mithin werden solche Patentinhabern dazu verpflichtet, Lizenzen an Dritten unter sog. „FRAND-Bedingungen“ (Fair, Reasonable, Non-Discriminatory) zu erteilen.

Huawei erhob eine Patentverletzungsklage gegen die ZTE Corporation und die ZTE Deutschland Gmbh („ZTE“) vor dem Landgericht Düsseldorf. ZTE vertreibt Produkte in Deutschland, die unter Beachtung des SEP von Huawei hergestellt werden. Dabei zahlte ZTE jedoch keine Lizenzgebühren an Huawei. Mithin legte das Landgericht Düsseldorf dem Europäischen Gerichtshof („EuGH“) die Rechtsfrage vor, wann eine Patentverletzungsklage einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen kann.

Hierzu legte der EuGH am 16.07.2015 in der Rechtssache C-170/13 Huawei Technologies Co. Ltd gegen ZTE Corporation, ZTE Deutschland GmbH zunächst fest, dass zwischen einer Unterlassungs- und Rückrufklage sowie einer Klage auf Rechnungslegung und Schadensersatz zu unterscheiden ist.

Hinsichtlich Unterlassungs- und Rückrufklagen erklärt der EuGH, dass ein Patentinhaber seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, wenn dieser (i) den Klagegegner nicht vor Erhebung der Klage auf den konkreten Streit hingewiesen hat und (ii) ihm kein Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen angeboten hat, wobei (iii) dieser, also derjenige, der das Patentrecht verletzt, rechtmäßig auf das Angebot reagieren muss. Reagiert der Patentverletzer nicht auf das Angebot, wird eine Verzögerungstaktik vermutet, um das betroffene Patent weiter unentgeltlich zu verwenden.

Weiters sind Klagen auf Rechnungslegung oder auf Schadensersatz grundsätzlich kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, da solche keine unmittelbare wettbewerbsrechtliche Auswirkungen haben. Nun muss das Landgericht Düsseldorf entscheiden, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen, um beurteilen zu können, ob Huawei seine marktbeherrschende Stellung missbraucht hat und folglich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt.

Autoren:

Dr. Christina Hummer
Ori Kahn